Statement

Der unten gezeigte Brief der HGB, adressiert an Studierende, Lehrende, Alumni, den Hochschul-Freundeskreis und weitere Personen ihres Umfeldes und Verteilers, darunter auch explizit an Personen, Künstler und Künstlerinnen, die zu Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung Dimensions in den Pittlerwerken eingeladen waren, wurde von verschiedenen Adressaten an uns herangetragen –Wir haben uns dazu entschieden, den Brief und folgendes Statement zu veröffentlichen.

In einer freien Gesellschaft sollten Dialog, offener Diskurs und der Respekt vor unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven essentielle Bestandteile sein. Die Ausstellung in den Pittlerwerken, die mit viel Einsatz, einem professionellen und internationalen kuratorischen Team, so wie vielen Helferinnen und Helfern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über zwei Jahre hinweg organisiert wurde, ist das Ergebnis harter Arbeit und bedeutender finanzieller Mittel. Sie präsentiert namhafte und erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt und ist aus unserer Sicht eine Bereicherung für Leipzig. 

Der offene Brief, der von einigen Künstlern und Künstlerinnen aus der freien Szene Leipzig initiiert wurde, enthält sowohl aus dem Kontext gerissene Fakten als auch falsche Behauptungen und Unterstellungen, die zusammengefügt wurden, um ein einseitig negatives Gesamtbild von den Veranstaltern und Veranstalterinnen, Sponsoren und dem Veranstaltungsort zu erzeugen. Die HGB hat diese Passagen aufgegriffen und in Ihrem Statement zitiert, was uns doch sehr verwundert. Einladungen zu einem offenen und konstruktiven Diskurs wurden nicht angenommen oder ignoriert. Stattdessen wird eine Zensur der Ausstellung gefordert, die ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert an einem privaten Ort stattfindet.

In einer freien Gesellschaft sollten wir uns fragen, ob es akzeptabel ist, den angebotenen Dialog zu verweigern und stattdessen nach Zensur zu rufen. Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen sind grundlegende Prinzipien, auf denen unsere Gesellschaft aufbaut. Die Lösung für Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen sollte immer der offene Austausch von Ideen und der respektvolle Dialog sein. Es ist auch bedauerlich, dass sogar teilnehmende Künstlerinnen und Künstler moralisch unter Druck gesetzt werden. Solche Vorgehensweisen sind nicht vereinbar mit unserer Wertevorstellung einer freien Gesellschaft, in der individuelle Freiheit und die Anerkennung der Rechte anderer Menschen von größter Bedeutung sind. In was für einer Gesellschaft also wollen wir leben?

Diese Frage ist von zentraler Bedeutung, da wir uns mit den Problemen und Herausforderungen auseinandersetzen müssen, die unsere Gesellschaft prägen. Es ist unbestreitbar, dass die Anerkennung und Wahrung der Vielfalt und Individualität aller Menschen von großer Bedeutung sind. Dennoch müssen wir auch kritisch über die Methoden nachdenken, die leider immer wieder verwendet werden, um persönliche Ziele zu erreichen.

Von Anfang an waren wir uns bewusst, dass eine von Palantir gesponserte Ausstellung kontrovers sein wird. Dennoch betrachten wir es nicht als Fehler, sondern als bewusste Entscheidung, Räumlichkeiten für diese Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Unser Hauptanliegen lag immer bei der Kunst selbst, der Kuratierung und der Freiheit, eine Ausstellung mit herausragenden Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt zu ermöglichen, die sich mit dem hochaktuellen Thema der Entwicklung der Digitalisierung in der Kunstwelt auseinandersetzen. Die Auswahl und Zusammenstellung der gezeigten Werke sowie die thematische Erörterung im aktuellen Kontext erachten wir und die große Mehrzahl unserer Besucher und Besucherinnen als sehr gelungen und relevant. Trotz der gegenwärtigen politischen Diskussionskultur betrachten wir diese Ausstellung auch als eine Gelegenheit zum Dialog, sehr gerne auch zum Thema Datenanlyse und den Umgang mit privaten Sponsoren in der Kunst. Wir hatten die Erwartung, dass diese Spannungsfelder gemeinsam beleuchtet und diskutiert werden können, wobei verschiedene Standpunkte aufeinandertreffen. Wir sehen es als unverhältnismäßig an, wie stark hier versucht wird, mit Druck und sozialem Einfluss auf die Menschen Einfluss zu nehmen, die sich ebenfalls dafür entschieden haben.

Ein besorgniserregender Trend, den wir generell in der aktuellen Situation beobachten, ist dabei die Verengung des Diskurses und die Tendenz, unterschiedliche Meinungen und Perspektiven zu unterdrücken und den Versuch, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Debattenkultur leidet unter der Polarisierung und dem Verlust der Fähigkeit, Meinungsverschiedenheiten auf respektvolle Weise auszutragen oder gar auszuhalten. Diese Herangehensweise kann dazu führen, dass Unterschiede betont werden, anstatt eine gemeinsame Basis zu schaffen. 

Uns ist es auch weiterhin wichtig, ein Ort zu sein, der Menschen dazu einlädt ihr Umfeld aktiv zu gestalten und unterschiedliche Ansätze zusammen zu bringen. Dabei ist es uns wichtig die Individualität und die unterschiedlichen Erfahrungen jedes Einzelnen anzuerkennen, ohne dabei den Zusammenhalt und die Offenheit für verschiedene Perspektiven zu verlieren. Wir sollten versuchen, uns von einem Klima zu verabschieden, in dem der Diskurs durch Angst vor Sanktionen oder sozialem Ausschluss geprägt ist oder von vorneherein abgelehnt wird.

Es liegt an uns, immer wieder die intellektuelle Neugierde und die Fähigkeit aufrechtzuerhalten, unseren Fokus über die Grenzen unserer eigenen Erfahrungen und Perspektiven hinaus zu erweitern, um weiterhin offen für die Idee einer pluralen Gesellschaft zu sein, in der die Vielfalt unserer Unterschiede uns bereichert und beflügelt. Nur so können wir eine Kunstszene lebendig halten und zu ihrer Vielfalt beitragen anstatt sie zu beschränken. 

Da bis jetzt noch keine Rückmeldung oder nur Absagen der Initiatoren und Initiatorinnen des offenen Briefs für die Einladung zur Diskussion am 29.06. wird dieser Termin wahrscheinlich abgesagt. Vielleicht will die HGB einspringen?

Pittlerwerke